Was haben Hirsch und Haubentaucher gemeinsam? Sie tun es, auf die eine oder andere Weise. Die Natur hat beeindruckende Strategien entwickelt, tierische Dates zu arrangieren und beim anderen Geschlecht zu punkten. Dabei geht es im Reich der Tiere erstaunlich menschlich zu.
Sie prahlen und protzen, sie tricksen und täuschen, sie schäkern und schenken: Männchen legen sich so richtig ins Zeug, wenn es um das Eine geht. Da sind typische Macker ebenso unterwegs wie Charmeure oder Pantoffelhelden – und setzen im Dienst der nächsten Generation erstaunliche Strategien ein. Echte Kerle kommen daher wie gut ausgerüstete Luxusobjekte und beeindrucken die Damen ihres Herzens mit sperrigem Geweih, grellbuntem Gefieder oder halsbrecherischen Balzritualen. Keine Frage, ohne die Partnersuche der Tiere wäre unsere Natur wohl um viele ihrer schönsten Exemplare ärmer. Doch das aufwendige Werben hat seinen Sinn. Im Tierreich herrscht nämlich meist Damenwahl, und so muss das Männchen schon heftig flirten, um Eindruck zu machen. Dabei kostet das Wettrüsten die Brautwerber einen riesigen Aufwand, macht Feinde auf sie aufmerksam und behindert sie bei der Flucht vor diesen.

Das Männchen demonstriert auf diese Weise seine genetische Qualität. Denn stundenlanges Singen und die Produktion eines prächtigen Gefieders bei Vögeln sind sehr aufwendig. Indem das Männchen viel Energie in die Balz investiert, signalisiert es dem Weibchen, dass es sich einen solchen Energieverschleiss problemlos leisten kann. Denn in der Tierwelt zählen buchstäblich die innere Werte: Männchen mit guten Genen, gesund und den Lebensumständen bestens angepasst, werden von der Damenwelt bevorzugt.
Prahlen mit der Krone
Um die Gunst des Weibchens zu erringen, ist den Herren der Schöpfung oft jedes Mittel recht. Für die Balz putzt sich manche Vogelart kräftig heraus, um sich von ihrer besten Seite zu präsentieren. Die Männchen verfügen zum Teil sogar über spezielle Balztrachten, mit denen die Paarungschancen erhöht werden sollen. Doch auch Huftiere wissen mit ihrem Äusseren zu imponieren: Bei den Rothirschen etwa sind Zwölfender bei den Hirsch-Kühen besonders beliebt. Eine grosse Krone zeigt an, dass der Hirsch-Stier genügend Energie «übrig» hat für die alljährliche Geweihbildung. Die Brunftzeit der Hirsche findet im Herbst statt und ist für die Stiere Stress pur: Rothirsche versuchen während dieser Zeit, ein Brunftrudel zu bilden und dieses auch zusammenzuhalten. Entsprechend auffällig benehmen sich die Tiere und tragen auf den Lichtungen ihr gefegtes Geweih zu Schau.

Das Röhren der paarungsbereiten Rothirsche – einem Rind, das versucht wie ein Löwe zu brüllen, nicht unähnlich – dient dabei allein der Einschüchterung der Rivalen. Der lauteste Stier kann davon ausgehen, dass er von seinen Artgenossen als der Stärkste akzeptiert wird. Wagt sich doch ein Herausforderer, am Thron zu rütteln, kann es zu einem Kräftemessen in Form eines Kampfs kommen. Dabei handelt es sich meist um Show-Kämpfe, sogenannte Kommentkämpfe. Diese weisen eine genau festgelegte Abfolge von Verhaltensweisen auf, um die Rangordnung festzulegen, und sind nicht nur bei Rothirschen, sondern auch bei Gämsen oder Steinböcken zu beobachten.

Komplizierte Balzarien in der Vogelwelt
In der Vogelwelt geht es während der Balz vor allem stimmgewaltig zu. Vogel-Männchen verwandeln sich in wahre Charmeure, die mit aufwendigem Gesang die Weibchen anzulocken versuchen. Besonders schön und vor allem ausdauernd singt die Nachtigall. Auch die Lerche ist während der Balz ein grossartiger Sänger. Über den grössten Stimmumfang verfügt jedoch die Amsel. Ein Tänzchen des Kavaliers scheint manche Henne ebenfalls zu entzücken; die Balz des Auerhahns ist diesbezüglich spektakulär. Den Schwanz steil gefächert, die Brust geschwellt und den Kopf hoch aufgerichtet, stolziert der Hahn über den Balzplatz. Mit seiner Balzarie, einer Abfolge von knatternden, trillernden und schleifenden Tönen, animiert der imposante Vogel die Hennen zur Paarung. Über ebenfalls eindrückliche Balzposen und gesten verfügt die Schellente: In kleinen Trupps ziehen die Erpel umher und werfen – kommt ein Weibchen in Sicht – ihren Kopf ruckartig auf den Rücken und recken ihren Schnabel in die Höhe.


Die besten Tänzer jedoch sind die Haubentaucher: Sie trippeln auf dem Wasser und präsentieren sogar Nistmaterial, während sie auf dem Wasser zu stehen scheinen. Immer wieder schütteln sie ihre Köpfe mit den auffälligen Schmuckfedern. Die Elemente ihres Balztanzes kombinieren die Vögel frei – wie Tänzer die Figuren des argentinischen Tangos. Beim Paartanz geht es auch immer darum, den Partner kennen zu lernen. Tanzt das Paar harmonisch, gelingt auch die Aufzucht des Nachwuchses.
Wildtiere haben keinen Grund zur Treue
Bei dem Aufwand, den die männlichen Vertreter im Tierreich bei der Brautwerbung betreiben, dürfte man eigentlich annehmen, dass die Partnerschaft ein Leben lang hält. Dies ist jedoch nur selten der Fall, etwa bei Bibern und Schwänen. Viele einheimische Tierarten holen sich nicht nur jedes Jahr einen neuen Partner an die Seite, sondern wagen gar während wechselnder Kurzbeziehungen Seitensprünge. Eine Untersuchung an Rauchschwalben hat ergeben, dass ein Viertel der Jungvögel nicht vom leiblichen Vater aufgezogen wird. Das Bessere ist dabei der Feind des Guten: Treue funktioniert nur so lange, bis Untreue sich auszahlt, etwa wenn ein Männchen einem Artgenossen eigene Junge unterjubelt oder ein Weibchen ein noch fitteres Männchen entdeckt.

Es kann also durchaus sein, dass lautes Röhren, kräftezehrendes Kämpfen oder liebliches Zwitschern schliesslich ohne Erfolg bleiben. Womit einem die tierischen Kavaliere beinahe leid tun könnten, wäre da nicht der Umstand, dass die Damenwelt beim Aufziehen des Nachwuchses weitaus mehr leistet. Das Austragen, Gebären und Hegen des Nachwuchses ist äusserst kräftezehrend und beinhaltet grosse Risiken. Denn ausser bei den meisten Vogelarten macht sich das Männchen nach der Paarung rasch vom Acker, und die Weibchen müssen selbst sehen, wie sie die Nachkommen aufziehen.
Die Evolution im Liebesrausch
Manche verlieren beim Sex ihren Kopf, andere benutzen ihren Urin als Aftershave. Das Tierreich hat einige kuriose Fortpfanzungsstrategien zu bieten:
- Männliche Tiefsee-Anglerfische beissen sich zur Paarung am Weibchen fest und geben bei Bedarf Sperma ab. Bei den meisten Arten wachsen die Männchen sogar an den Weibchen fest, wo sie bis zu ihrem Tod auch bleiben.
- Keinen Erfolg bei der Partnersuche? Für einen Hammerhai kein Problem. Wenn ein Weibchen keinen geeigneten Mann findet, um die Paarung zu vollziehen, geht es auch ohne. Die Fische können sich durch Jungfernzeugung fortpfanzen.
- Männliche Kapuzineraffen urinieren in ihre Hände und reiben sich dann den ganzen Körper ein, um eine potenzielle Gespielin anzulocken.
- Ebenfalls feuchtfröhlich geht es beim Stachelschwein zu: Das Männchen stützt sich auf seine Hinterbeine und uriniert aus zwei Metern Entfernung auf das Weibchen. Zeigt dieses seinen Bauch, ist es paarungsbereit.
- Die Gottesanbeterin ist der Inbegriff für riskanten Sex. Häufig beisst das viel grössere Weibchen seinem Gespielen während des Geschlechtsakts den Kopf ab.
- Männliche Wespenspinnen hingegen sind äusserst eifersüchtig: Nach dem Sex bricht bei ihnen der Penis ab und verstopft die Geschlechtsöffnung des Weibchens.
- Die Weibchen der Blaukrabbe paaren sich nur einmal, und zwar unmittelbar nach der letzten Häutung. Das Männchen beschützt sein Weibchen, bis dessen Schale nachgewachsen ist.
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NATURZYT Ausgabe März 2024, Text Helen Weiss, Foto Envato, AdobeStock