Wer den Igel nicht nur als Gast im Garten beherbergen, sondern ihm auf Dauer ein Heim anbieten möchte, muss nicht viel tun – denn weniger ist hier mehr. Igel mögen es nämlich so richtig wild und unordentlich; deshalb darf man im naturnahen Garten auch einfach mal zurücklehnen und geniessen.
Bei seinem Anblick gerät man regelmässig in Verzückung: Auf kurzen Beinen trippelt er eilig über den Gartenweg, reckt laut schnüffelnd seine Nase in die Höhe und verschwindet flink im Gemüsebeet. Igel sind einfach knuffige Gesellen – doch nicht nur deshalb sind sie gern gesehene Gäste im Garten. Als natürliche Feinde von Schnecken, Raupen und anderen Schädlingen sind die kleinen Wildtiere ideale Helfer in Sachen biologischer Pflanzenschutz. Viele Gartenbesitzerinnen und -besitzer machen es dem Igel allerdings alles andere als leicht: Ein perfekt aufgeräumter Garten mit sauber geharkten Flächen und akkurat geschnittenen Sträuchern bietet den stacheligen Besuchern nämlich kaum einen Unterschlupf. Als Wildtier, das in unserer Nähe haust, hat der Igel sich zwar bestens angepasst. Im Zusammenleben mit den Menschen lauern ihm im Garten aber immer wieder zahlreiche todbringende Gefahren: Lichtschächte, Netze, Pestizide, Fadenmäher und Heckenscheren stellen lebensbedrohliche Fallen dar.
Ökologisches Gleichgewicht spielt eine wichtige Rolle
Wie jedes Wildtier nimmt der Igel eine wichtige Rolle im Zusammenspiel der Natur ein. Entsprechend gerne mag das Stacheltier wilde Ecken mit Dickicht, Totholzhaufen und zugewachsenen Gartenrändern. Hier findet er fette Würmer, knackige Schneckeneier und dicke Maden, die er gerne laut schmatzend verschlingt. Um Igel zu schützen, gilt es deshalb, gänzlich auf Pestizide zu verzichten und seinen Garten möglichst biologisch zu bewirtschaften. Dazu braucht es eine andere Sicht der Dinge. Der Begriff «Schädling» existiert im biologischen Gartenbau eigentlich nicht, vielmehr spricht man von Nahrungskonkurrenten. Denn in der Natur sind alle Insekten auf ihre Weise nützlich, wichtig ist vor allem, dass das ökologische Gleichgewicht stimmt und nicht gestört wird.

Wer sein grünes Reich auf Bio umstellt, muss sich deshalb eine gewisse Gelassenheit aneignen. Anstatt sofort einzugreifen, gilt es manchmal, auch einfach abzuwarten und die natürlichen Gegenspieler aufs Feld zu lassen – wie eben den Igel. Die Natur verfügt über ein gut funktionierendes Ökosystem; biologisches Gärtnern bedeutet deshalb, ein ökologisches Gleichgewicht zu erreichen. Um einen igelfreundlichen Garten zu gestalten, gilt es, ganzheitlich zu denken: Tummeln sich Insekten, Schmetterlinge, Regenwürmer, Schnecken und Vögel im Garten, benötigt der kleine Runde keine besondere Einladung, sondern kommt von selbst. Schliesslich kann er einem solchen Buffet kaum widerstehen. Doch wo beginnt man am besten, wenn man den herkömmlichen Garten in ein Igel-Eldorado verwandeln möchte? Begleiten Sie uns durchs Gartenjahr – wir zeigen Ihnen, wie es geht:

Holz sammeln im Frühling für einen Totholzhaufen
Im Februar und März ist es Zeit, zur Baumschere zu greifen und Obst- sowie Ziergehölze wieder in Form zu bringen. Vom Rückschnitt der Sträucher, Hecken und Bäume fällt viel Astmaterial an, das sich bestens für den eigenen Garten nutzen lässt. Durch das Aufschichten eines Totholzhaufens kann das Schnittgut naturnah und zur Förderung der Biodiversität verwendet werden. Er besteht aus locker angehäuften Ästen und Zweigen und ist ein beliebter Tummelplatz: Totholz bietet nicht nur Igeln, sondern auch vielen anderen Tieren Versteck-, Schlaf- und Futterplätze. Bedrohte Vogelarten finden hier ein schützendes Versteck vor Fressfeinden oder einen idealen Platz zum Nisten. Auch für andere gefährdete Gartenbewohner wie etwa Erdkröten oder Zauneidechsen bietet das Astgeflecht einen prima Rückzugsort. Es ist Kinderstube und Winterquartier zugleich. Daneben finden auch viele Insekten-, Käfer- und Spinnenarten in Asthaufen einen Lebensraum.
Die richtigen Pflanzen für ein stabiles Ökosystem
Bei der Wahl der Bepflanzung im Blumenbeet sollte man im Biogarten möglichst auf einheimische oder sogar standortheimische Pflanzen zurückgreifen, denn sie bieten zahlreichen Insekten Nahrung, Fortpflanzungsmöglichkeiten und Unterschlupf. Dadurch erhöht sich die natürliche Vielfalt und somit die Stabilität des Ökosystems «Garten». Besonders attraktiv sind Wiesenblumen mit offenem Blütenbau wie die Schafgarbe oder Margerite, da deren Pollen und Nektar auch von kurzrüssligen Schwebefliegen aufgenommen werden können. Den Insekten zuliebe sollte im biologischen Garten zudem die traditionelle Trennung zwischen Blumenrabatte und Gemüsebeet aufgegeben werden. Heil- und Gewürzkräuter, Klatschmohn und Ringelblumen sehen zwischen Salatköpfen und Lauchstängeln nicht nur schön aus, sondern sie locken auch den Igel ins Gemüsebeet, wo er sich gerne an Schnecken, Laufkäfern, Larven von Nachtschmetterlingen, Regenwürmern, Ohrwürmern, Hundert- und Tausendfüsslern sowie Spinnen gütlich tut. Igel sind keine Vegetarier, sie fressen im Garten weder Obst noch Gemüse.


Wilde Blumenwiesen als Versteckmöglichkeiten und Nahrungsgrundlage
Rasen ist als Gartenfläche steril und bietet dem Igel weder Nahrungsgrundlage noch Versteckmöglichkeiten. Falls möglich, sollte man deshalb im Sommer eine Blumenwiese anlegen – oder zumindest Inseln mit Wildblumen im Rasen planen. Zwar lassen sich die Blütenpflanzen, die einer Blumenwiese ihren bunten Charakter verleihen, nicht so ohne Weiteres aus der Tüte auf den Mährasen schütten. Doch die nachträgliche Verwandlung eines Rasens in eine Blumenwiese ist trotzdem nicht so schwer – es braucht nur etwas Fachwissen, Muskelkraft und das richtige Saatgut. Die Mühe des Anlegens lohnt sich, denn statt des mühsamen wöchentlichen Rasenmähens muss man künftig nur noch zweimal im Jahr die Sense schwingen: Ausserdem ist eine Blumenwiese bunter, ihr Wasserbedarf geringer und die heimische Tierwelt freut sich an ihr.

Igel leben gefährlich, deshalb auf das richtige Gartenwerkzeug achten
Dem Igel ist damit gleich doppelt gedient: Eine Wildwiese bietet ihm zusätzlichen Lebensraum, zudem muss er sich nicht vor möglichen Mährobotern fürchten. Da der elektronische Mäher sozusagen geräuschlos durch die Halme zirkelt, lässt man ihn gerne nachts frei – dann sind auch die Igel unterwegs. Das kann zu unschönen Zusammenstössen führen, denn Igel rollen sich bei drohender Gefahr ein. Fährt der Roboter an das Tier heran, kann dieses verletzt und sogar getötet werden. Auch Fadenmäher sollten aus dem igelfreundlichen Garten verbannt werden: Mit den motorisierten Sensen wird oft der Wildwuchs an Böschungen, unter Büschen und Hecken geschnitten. Man dringt damit also direkt ins Schlafzimmer der Igel ein, die sich während des Tages gern im hohen Gras verstecken. Falls einmal eine Motorsense benutzt werden muss, ist es wichtig, den Garten vor dem Einsatz der Motorsense gründlich abzusuchen. Da Igel auch bei Lärm verharren, stochert man am besten mit einem Stock zwischen dem Gestrüpp und im hohen Gras herum. Stösst man dabei auf einen Igel, kann er in Sicherheit gebracht werden. Wer ein Herz für Igel und andere Gartenbewohner hat, sollte aber möglichst auf diese elektrischen Helfer verzichten.
Auf einheimische Heckensträucher setzten
Eine abwechslungsreiche Gestaltung erhöht den ökologischen Wert eines Gartens. Der Herbst ist eine ideale Zeit, um Gehölze zu pflanzen – im naturnahen Igelgarten fällt die Wahl auf einheimische Heckensträucher, die für die Insekten während der ganzen Vegetationszeit Nektar und Pollen produzieren. Wildwachsende Strauchhecken bringen nicht nur gestalterisch mehr Leben in das grüne Grundstück, sondern bieten auch der heimischen Fauna ein ideales Heim. Neben Igeln nutzen auch Vögel und Insekten Strauchhecken gerne als Versteck, Nistplatz oder Nahrungsquelle. Wer auf eine naturnahe Gestaltung Wert legt, darf deshalb auf standortgerechte, einheimische Gehölze wie Pfaffenhütchen oder Kornelkirsche nicht verzichten. Sie sind nicht nur eine ideale Nahrungsquelle für Tiere, sondern bieten auch ökologische Nischen.

Wertvolles Laub mit Nährstoffe für den Boden
Der Herbst hält neben der Ernte von Früchten und Gemüse eines der schönsten Geschenke im Garten parat: das Laub. Die Blätter enthalten wichtige Nährstoffe, die dem mikrobiologischen Kreislauf unbedingt wieder zugeführt werden sollten. Denn nach dem Blattfall werden die Nährstoffe von Bakterien und Pilzen im Boden aufgenommen und zersetzt. Laub kann deshalb vielfältig im Garten genutzt werden – etwa als Nährstofflieferant für den Rasen, Wurmfutter im Kompost oder als schützende Abdeckung im Staudenbeet. Aufräumen im Herbst ist im Igel-Reich grundsätzlich passé. Vielmehr gilt, dass alles, was im Garten wächst, auch im Garten bleiben soll. Das Herbstlaub ist für Igel eine überlebensnotwendige Vorratskammer für die Zeit sowohl vor als auch nach dem Winterschlaf. Unter dem Laubteppich suchen all die Kleintiere Schutz, die auf der Futterliste des Igels stehen. Entfernt man das Laub, raubt man dem stacheligen Wildtier seine Ressourcen – die Folgen sind abgemagerte Tiere, die den Winter nicht überstehen. Das Zufüttern mit Katzenfutter ist eine Scheinlösung, denn in einer gepützelten Gartenwüste gibt es keine Zukunft für Igel.

Ast- und Steinhaufen sowie Pflanzenstängel als Unterkunft oder Futter
Je wilder und chaotischer der Garten ist, desto nützlicher ist er für die Tier- und Pflanzenwelt. Das gilt auch für Ast- und Steinhaufen sowie Pflanzenstängel von verblühten Blumen. Für unterschiedliche Tiere dienen solche so genannte Feinstrukturen als Unterkunft oder Futter. So entdecken Igel in unaufgeräumten Ecken des Gartens ideale Bedingungen für ihren Winterschlaf und naschen, wie Amseln und andere Vogelarten, gern vom reich gedeckten Tisch. Sie machen dabei freilich keinen Unterschied zwischen Nützlingen und Schädlingen und sorgen so für ausgeglichene Populationsbestände.

Neben Laubhaufen sind auch dichtes Gestrüpp oder alte Holzstapel ideale Quartiere für die stacheligen Gesellen, die von November bis März einen Winterschlaf halten. Mit trockenem Laub, langstieligem Heu, drei alten Brettern und vier Backsteinen lässt sich mit wenig Handgriffen ein perfekter Unterschlupf für den kleinen Gartenhelfer bauen: Die Backsteine werden je zu zweit neben- und aufeinandergeschichtet. An diese niedrige «Mauer» stellt man nun die Bretter an und füllt den dadurch entstehende Hohlraum mit Laub. Das langstielige Heu wird von den Igeln als Nistmaterial bevorzugt. Sie bestehen aber darauf, das Nest selbst einzurichten, weshalb man es am besten vor der Höhle liegen lässt. Es empfiehlt sich, die erhöhte Seite gegen Osten zu richten – als Schutz vor dem Westwindwetter. Nicht immer können alle Massnahmen für einen igelfreundlichen Garten während eines Jahrs umgesetzt werden – aber auch mit kleinen Schritten können bereits grosse Erfolge erzielt werden. Und der Lohn für die Mühe? Regelmässige Besuche des charmantesten Stacheltiers überhaupt!
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NATURZYT Ausgabe September 2023, Text Helen Weiss Fotos pixelio.de, pxhere.com, pexels.com