Luchs versteckt sich hinter Baumstamm im Wald

Als Anschleichjäger geht er auf leisen Pfoten durch den Wald. Seine Taktik ist Geduld und Überraschung. Mit einem Sprung erbeutet er unvorsichtige Tiere und streift seit 1970 wieder durch unsere Wälder.

Es gibt verschiedene Tiermärchen, von Rotkäppchen und dem bösen Wolf, dem Zaunkönig und dem Bären. Aber können Sie sich an ein Märchen mit einem bösen Luchs erinnern? Auch nicht? Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Luchs, welcher zu den grössten Raubtieren Europas zählt, sich nur selten blicken lässt und auch nicht als Bedrohung des Menschen gilt.

Die grösste europäische Raubkatze lebt denn auch gut getarnt in dichten Wäldern. Als Einzelgänger und sehr scheuer Zeitgenosse sieht man sie selten, ausser vielleicht, wenn eine Fotofalle sie abgelichtet hat. Denn der Luchs hört uns mit seinen auffälligen Haarpinseln an den spitzen, deutlich dreieckigen Ohren schon von Weitem. Untersuchungen haben ergeben, dass er das Rascheln einer Maus aus 50 Metern wahrnimmt oder ein vorbeiziehendes Reh aus 500 Meter Entfernung hören kann. Seine mandelförmig geschnittenen und nach vorne gerichteten Augen sind goldgelb, gelbbraun oder ockerbraun und sein wichtigstes Sinnesorgan. Diese sind sechsmal lichtempfindlicher als unsere Augen, was ihm auch bei Dämmerung und absoluter Dunkelheit ein optimale Sicht zur Jagd ermöglicht. Der gute Geruchssinn ist bei der Jagd nicht wichtig, hat jedoch eine wichtige Funktion in der Kommunikation mit Artgenossen.

Luchs mit Kopf nach vorne im Winter
Gut erkennbar die «Pinsel» an den Ohren und der typische Backenbart.

Der Luchs hat einen kurzen Schwanz und ein Backenbart

Neben den auffallenden Pinselohren ist beim Eurasischen Luchs, welcher wieder in ganz Europa lebt, ein typisches Markenzeichen sein kurzer, nur gerade 15 bis 25 Zentimeter langer Schwanz, welcher in einer schwarzen Spitze endet. Ein weiteres Merkmal ist sein sehr aussagekräftiger Backenbart, welcher vor allem in den Wintermonaten sehr ausgeprägt ist. Diesen Bart kann er auch weit abspreizen. Die genaue Funktion ist aber (noch) nicht bekannt. Man nimmt aber an, dass er damit die Stimmung gegenüber Artgenossen ausdrücken kann, oder möglicherweise dient dieser auch als Reflektor von Schallquellen.

Sein rötlich bis gelbbraunes Sommerfell und das grau bis graubraune Winterfell bestehen aus einer dichten Unterwolle, und die darüber liegenden Grannenhaare  haben eine Länge von fünf bis sieben Zentimetern. Dies gibt ihm nicht nur in der dichten Waldvegetation eine optimale Deckung, sondern garantiert auch einen optimalen Temperaturausgleich. Das Winterfell gehört sogar zu den dichtesten im Tierreich. Dank seiner Hochbeinigkeit, dem dichten Fell und den breiten Pfoten ist es ihm selbst bei hoher Schneelage möglich, erfolgreich zu jagen. Erst ab 1 Meter zieht er sich in Regionen mit geringerer Schneelage zurück. Mit einer Körpergrösse eines Schäferhundes erreicht der männliche Luchs ein Gewicht von 20 bis 26 Kilogramm, das Weibchen ist etwas kleiner, mit einem Gewicht von 16 bis 20 Kilo. Und anderes als bei Fuchs oder Hund fehlen bei Luchsfährten meist die Krallenabdrücke, da diese während des Laufens in die Hauttaschen zurückgezogen werden.

Luchs schläft auf weichem Moospolster
Ein Luchs macht es sich gemütlich auf einem «flauschigen» Moosteppich.

Sein Jagdgebiet ist über 150 Quadratkilometer gross

Für eine erfolgreiche Jagd benötigt der Luchs ein grosses Revier, in dem er alleine jagen kann. Es ist nicht selten, dass dafür ein Gebiet von über 150 Quadratkilometer von einem männlichen Luchs besetzt wird. In diesem Revier werden auch keine anderen männlichen Luchse akzeptiert, und dementsprechend, wie bei Katzen üblich, werden die Reviergrenzen entsprechend markiert. Die Reviere von Männchen und Weibchen können sich überlagern. Oft grenzen auch zwei weibliche Reviere an ein männliches. Begegnungen zwischen Männchen und Weibchen sind selten, nur während der Paarungsmonate zwischen Februar und April finden sie zusammen. Die Weibchen werden bereits mit zwei Jahren geschlechtsreif, die Männchen erst mit dem dritten Lebensjahr. Während der Paarungszeit verbringen sie mehrere Tage zusammen, bis sie sich wieder trennen.

Luchsmutter mit jungen Lüchsen die an den Zitzen saugen
Die Lüchsin sorgt alleine für den Nachwuchs und säugt die Jungen, bis diese bereit sind, feste Nahrung aufzunehmen und mit auf die Jagd gehen.

Nach gut 2 Monaten bringt die Luchsmutter ein bis vier, in der Regel jedoch zwei blinde Junge zur Welt. Sie hat sich dafür an einem geschützten, unzugänglichen Ort niedergelassen. Das können eine Höhle, Felsnischen oder umgestürzte Bäume sein. Wird die Luchsin gestört, zieht sie umgehend mit dem Wurf in ein anderes Versteck um. In den ersten Wochen werden ihre Jungen gesäugt, bis sie fähig sind, mit ihr auf Beutezug zu gehen. Die jungen Luchse bleiben 10 Monate bei der Mutter, bis kurz vor der nächsten Ranzzeit. Sie haben bis dahin gelernt, für sich alleine zu sorgen, bevor sie das Revier verlassen müssen, um ein eigenes zu suchen. Auf den oft mehr als 100 Kilometer langen Wanderungen lauern etliche Gefahren, wie Bahnlinien, Strassen und Autobahnen. Viele der Jungluchse überleben infolge Unfall oder Krankheit ihren zweiten Winter nicht.

Ein Fleischfresser und spezialisiert auf Huftiere

Der Luchs ist ein reiner Fleischfresser, welcher sich auf mittelgrosse Huftiere spezialisiert hat. 90 Prozent seiner Nahrung machen in der Schweiz Rehe und Gämsen aus. Auf seinem umfangreichen Speisezettel stehen aber auch Tiere wie der Rotfuchs, Hase, Marder, Mäuse oder Eichhörnchen. Ein ausgewachsener Luchs benötigt pro Woche ungefähr ein Reh oder eine Gämse – das ergibt rund 60 Tiere pro Jahr. Seine Jagdtaktik ist Geduld und Überraschung, somit wäre es falsch anzunehmen, dass er vor allem kranke und ältere Tiere, wie es andere Jäger zu tun pflegen, erlegt. Es sind vor allem unvorsichtige Tiere, die er erwischt. Als Anschleichjäger fällt er sein Opfer mit einem Sprung an und tötet dieses sofort miteinem gezielten Biss. Schlägt der Angriff fehl, wird das Tier nicht weiterverfolgt. Und wenn, sehr selten und höchstens über kurze Distanzen. Dabei kann der Luchs auf eine Geschwindigkeit von 70 km/h kommen.

Luchs läuft durch eine Wiese im Sommer
Luchse sind geübte Anschleich- und Überraschungsjäger.

Seine Beute verschlingt er nicht auf einmal, sondern kehrt mehrere Nächte zu seinem Riss zurück, welchen er gut versteckt und mit Schnee oder Laub zudeckt. Durch seinen Überraschungsangriff werden seine Opfer, vor allem die Rehe, aber auch vorsichtiger, und es wird für ihn, aber auch für andere Jäger, immer schwieriger, Tiere zu erlegen. Der Luchs zieht deshalb weit umher in seinem grossen Revier, Strecken von täglich 40 Kilometern sind nicht selten.

In der Schweiz ausgerottet und jetzt wieder ausgewildert

Heute leben in der Schweiz wieder 2 Populationen mit total 192 Luchsen (Stand 2015), davon 58 im Jura und 134 in den Alpen. Sichtungen durch Fotofallen haben auch Luchse im Kanton Zürich bestätigt, so beispielsweise einen im Juni 2015 beim Ortsteil Bertschikon von Gossau, welcher dann wenige Tage später in Baden-Württemberg wieder in eine Fotofalle tappte. Dies zeigt eindrücklich, wie gross die Reviere sind. Imposant sind auch die Wanderungen von Jungluchsen auf der Suche nach geeigneten Revieren und Nahrung.

Luchs liegt im Herbst auf dem Waldboden
Mit seinem goldbraunen Fell ist der Luchs gut getarnt.

Der Luchs ist in der Schweiz erst seit 1970 durch offizielle Freilassungen zurück, seit dem 17. Jahrhundert ist er erst aus dem Schweizer Mittelland durch gezielte Ausrottung von Menschenhand verschwunden, bevor er im Jura und den Alpen ab dem 19. Jahrhundert als ausgestorben galt. Die letzte historische Luchsbeobachtung erfolgte um 1909 in der Gegend des Simplonpasses. Auch durch die intensive Waldbewirtschaftung und Beinaheausrottung der Hauptbeutetiere des Luchses (Reh, Rothirsch, Gämse) durch uns Menschen wurde ihm die Lebensgrundlage entzogen.

Der Widerstand gegen die steigende Luchspopulation kommt vor allem von Interessenkreisen wie Landwirten und Jägern, welche Auswirkungen auf Wild- und Weidetiere befürchten. Erfahrungen zeigen aber, dass sich Luchse nicht negativ auf den Bestand der jagdbaren Tierarten auswirken. Die Zahl der von Luchsen erjagten Rehe und Gämsen liegt weit tiefer als die Anzahl von Fallwild (das heisst Tieren, die infolge von Krankheiten oder Unfällen sterben). Auch Weidetiere werden nur gerissen, wenn diese nachts weit entfernt von menschlichen Siedlungen aufhalten und sich die Weiden in Wald randnähe befinden. Das führte in den letzten drei Jahrzehnten zum Riss von 1000 Schafen.

Es werden bereits wieder, obwohl der Luchs in der Schweiz geschützt ist, illegal Luchse getötet. Es liegt nun an uns, nicht den gleichen Fehler, welcher im 19. Jahrhundert zur Ausrottung führte, zu wiederholen.

 

Luchs und Mensch

Begegnungen mit dem Luchs sind wie ein Sechser im Lotto. Luchse sind sehr aufmerksame und neugierige Tiere, meiden aber den Menschen. Scheu sind sie eigentlich nicht, vielmehr «unsichtbar» für uns, weil sie vor allem in der Dämmerung jagen und tagsüber durch ihr Fell hervorragend an den Lebensraum Wald angepasst sind. Es sind bisher auch keine Angriffe von Luchsen auf Menschen belegt. Es gab zwischen Grub und Rorschacherberg eine Situation, bei welcher ein Luchs zwei Reiterinnen über 400 Meter folgte, oder im Jura wurde ein Hund von einem jungen Luchs, welchen jener zuvor in einer Felsnische entdeckt hatte, beschnuppert. Solche Begegnungen sind sehr selten. Meistens handelt es sich dabei um junge Tiere oder eine Luchsin, die ihre Jungen schützt. Im Falle der Begegnung in der Ostschweiz ist nicht auszuschliessen, dass der Luchs nur die Pferde wahrgenommen hat, denn als die Reiterinnen zu sprechen begannen, verschwand er im Wald. Hundebesitzern wird empfohlen, den Hund angeleint zu lassen, sollte sich einmal ein Luchs nähern, Ruhe bewahren und den Hund an sich nehmen und sich langsam zurückziehen. Dem Luchs auf keinen Fall folgen. Es kann sein, dass ein Luchs einem ein Stück hinterher läuft, dies ist aber kein Grund zur Panik, Luchse haben keine Scheu vor Menschen und folgen aus reiner Neugier. Angst, dass der Luchs auch Menschen angreife, müsse man nicht haben, das versichern diverse Luchsexperten.

Luchs auf dem Rücken an der Sonne liegend
Eine gewisse Ähnlichkeit mit unseren Hauskatzen ist nicht abzustreiten, auch vom Verhalten her.


Umgekehrt ist der Mensch für den Luchs sehr gefährlich, denn immer wieder kommen sie durch den Strassenverkehr zu Tode. Und weil er als Konkurrent um die Jagdbeute angesehen wird, gibt es hin und wieder auch illegale Abschüsse oder Tötungen mit vergiftetem Fleisch.

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NATURZYT Ausgabe März 2018, Text Michael Knaus, Fotos AdobeStock

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