Wir sind nicht die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, doch wir sehen die Dinge immer nur aus unserer Sicht. Wie aber wäre es, wenn wir hören könnten, was unsere 4-, 8- oder 111-beinigen Mitbewohner dieser Erde uns zu sagen haben? Was würden sie wohl über uns Menschen denken, und wie würden sie ihr Zusammenleben mit uns empfinden?
Eine spannende Idee – sähen wir das ganze einmal aus ihrer Sicht und erführen, was sie uns alles zu sagen hätten. Naturzyt hat sich deshalb entschlossen, neue Wege auszuprobieren und sich darüber Gedanken zu machen, was wäre, wenn sie wie wir sprächen und wir sie einfach fragen könnten.
Sie besiedeln Feuchtgebiete und jagen mit Vorliebe Amphibien. Es sind Tiere, welche keinen Jö-Effekt haben und entweder geliebt oder gehasst werden. Man sagt ihnen Falschheit nach, ekelt sich oder fürchtet sie sogar. Diese scheue Jägerin wurde jedoch im alten Volksglauben verehrt, galt sie doch als Beschützerin der kleinen Kinder und brachte Glück und Segen für Haus und Hof. Zum Dank bekam sie dafür jeweils ein Schälchen Milch – unsere faszinierende Ringelnatter.
An einem wunderschönen Frühlingstag legte ich gerade eine kleine Wander-Pause an einem Weiher ein, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Als ich genauer hinschaute, traute ich meinen Augen kaum, denn vor mir liess sich gerade eine wunderschöne Ringelnatter elegant ins Wasser gleiten. Ob sie wohl kurz Zeit für ein Gespräch mit mir hatte?
HALLO DU SCHÖNE. HÄTTEST DU VIELLEICHT KURZ ZEIT FÜR MICH?
Wer sssspricht da? Bissst du dasss?
JA, DAS BIN ICH. ICH BIN GINI UND SCHREIBE INTERVIEWS FÜR EINE ZEITSCHRIFT, WELCHE DEN MENSCHEN DIE NATUR NÄHERBRINGEN MÖCHTE.
Und wasss willssst du von mir?
ICH WÜRDE DICH GERNE EIN PAAR DINGE FRAGEN. ETWAS ÜBER DICH UND DEIN LEBEN ERFAHREN.
Und wiessso willssst du dasss wisssen?
WEIL DIE MENSCHEN DAS SCHÜTZEN, WAS SIE KENNEN, UND ICH MÖCHTE DEN MENSCHEN ZEIGEN, DASS JEDES LEBEWESEN SEINEN PLATZ IN UNSEREM LEBENSKREISLAUF HAT UND DASS MAN, WENN MAN SICH GEGENSEITIG RESPEKTIERT, AUCH GUT MITEINANDER LEBEN KANN.
Dasss klingt interesssant. Schiesss losss, ich werde dir gerne Aussskunft geben.
DAS FREUT MICH SEHR. HAST DU EINEN NAMEN, MIT DEM ICH DICH ANSPRECHEN KANN?
Natürlich habe ich einen Namen, aber den kannssst du nicht aussssprechen. Dessshalb darfssst du mich Nelly nennen.
SEHR GERNE, NELLY. ALSO DU BIST EINE RINGELNATTER, WENN ICH DAS AN DEINEN BEIDEN HALBMONDFÖRMIGEN HALSFLECKEN RICHTIG ERKENNE, ODER? IST DEIN BISS GIFTIG?
Ja, dasss issst korrekt, und nein, mein Bisssss issst nicht giftig für euch Menssschen. Ssschlangen mit gessschlitzten Pupillen sssind sssogenannte Giftsssschlangen. Meine Pupillen sssind rund.
JA, DAS STIMMT, ICH HABE DAS, GLAUBE ICH, AUCH MAL GELESEN. BITTE ERZÄHL MIR DOCH, WIE SO EIN TAG IN DEINEM LEBEN VERLÄUFT.
Da ich ein wechssselwarmesss Tier bin, sssprich meine Körpertemperatur sssich der Umgebung anpassst, fange ich morgensss mal mit einen ausssgedehnten Sssonnenbad an, um mich aufzuwärmen. Danach gehe ich zum Teich, um zu jagen.Ich bin eine ausssgezeichnete Jägerin und erwisssche Frösssche, Fisssche und Molche mit Leichtigkeit, denn ich bin sssehr flink. Nach der Mahlzeit liege ich gerne auf dem flachen Ssstein dort auf der kleinen Insssel im Teich und mache ein Verdauungsssschläfchen. Danach jag ich nochmalsss, denn ich esssse in einer Sssaissson etwa dasss Fünffache meinesss eigenen Gewichtesss. Am Abend sssuche ich dann meinen Ssschlafplatz auf. Issst ein alter Mäusssebau unter den Wurzeln der alten Tanne dort drüben.

Nelly Natter hat einen für uns unaussprechlichen Namen und ist eine fl inke und erfahrene Jägerin. Sie liebt Frösche und liegt gerne auf einem flachen Stein zum Sonnenbaden. Sie ist sehr scheu und mag keine Störungen.
DU HAST EIN TOLLES JAGDGEBIET HIER. ERNÄHRST DU DICH AUSSCHLIESSLICH VON FRÖSCHEN, ODER JAGST DU AUCH ANDERE BEUTE, UND JAGST DU NUR IM WASSER ODER AUCH AN LAND?
Frösssche sssind meine Leibssspeissse. Aber ich essse auch Fisssche, Molche, Eidechsssen und ab und an auch mal eine Mausss. Ich jage an Land und im Wasssser. Aber ich jage nur lebende Beute. Dasss heissst, sssie mussss sssich ssschon noch bewegen. Mit meiner Zunge kann ich die Beute riechen. Ssso nähere ich mich immer mehr an und dann ssstosssse ich blitzssschnell zu. Kleine Beute verssschlinge ich ganz von hinten, grössssere Beute umssschlinge ich erssst mit meinem Körper, bevor ich sssie verssschlinge.
DU BIST ZIEMLICH GROSS. KANNST DU MIR SAGEN, WIE GROSS DU BIST, UND IST DAS BEI MÄNNCHEN UND WEIBCHEN GLEICH, ODER SIND DIE MÄNNCHEN GRÖSSER?
Ich bin fassst 115 Zentimeter lang. Bei unsss werden die Weibchen grösssser, die werden ungefähr bisss 150 Zentimeter, alsss die Männchen, die werden nur etwa 100 Zentimeter lang.
HAT DIE GRÖSSE ETWAS MIT EUREM ALTER ZU TUN? UND WIE IST DAS MIT DER HÄUTUNG?
Natürlich hat dasss mit dem Alter zu tun, ihr kommt ja auch nicht gleich grossss zur Welt. Alsss ich zur Welt kam, war ich gerade mal 14 Zentimeter lang. Ich bin inzwissschen 15 Jahre alt und häute mich mehrmalsss im Jahr. Wir können übrigensss 22 bisss 25 Jahre alt werden. Die erssste Häutung issst jeweilsss im Frühling nach dem Aufwachen. Wir ssstreifen dann die alte, zu klein gewordene, abgessstorbene Haut an Sssteinen und Sssträuchern ab. Danach sssind wir dann zur Paarung bereit.
WIE LÄUFT DANN DAS BEI EUCH MIT DER PAARUNG AB? SEID IHR EINEM PARTNER TREU WIE SCHWÄNE UND HABT IHR BALZRITUALE ODER ÄHNLICHES? UND WIE IST DAS DANACH MIT DEM NACHWUCHS? FÜTTERT UND SORGT IHR FÜR DIE KLEINEN SCHLÄNGLEIN?
Nichtsss von alledem. Paarungsssreif sssind wir etwa ab dem 4. Lebensssjahr. Die Männchen meissst ein Jahr früher. Wir treffen unsss dann oft an einem günssstigen Platz zu Paarung ssso etwa Ende April bisss Ende Mai. Dasss können dann ssschon mal ssso bisss zu 60 oder mehr Nattern werden, wobei die Männchen in der Überzahl sssind. Obwohl meissst um die 20 Männchen pro Weibchen sssind, gibt esss bei unsss keine Beisssereien oder sssonssstige Agressssionen. Die Paarung ssselbst kann dann mehrere Ssstunden dauern. Etwa Ende Juni bisss Anfang Augussst legen wir dann unsssere 10–30 Eier an einem geeigneten Ort ab. Ich lege meine gerne in den Komposssthaufen dort drüben, wo ich auch gessschlüpft bin. Issst ein idealer Ort, weil dasss Sssubstrat durch die Verrottung ssschön viel Wärme produziert. Perfekt zum Ausssbrüten der Eier. Die Ssschlänglein sssollten dann ssso etwa zwissschen Juli und Ssseptember ssschlüpfen. Betreut werden sssie nicht von unsss. Sssie sssind auf sssich allein gessstellt. Sssie können nach der Geburt bereitsss allesss, wasss wir auch können, nur ihre Beutetiere sssind kleiner. Sssie essssen dann Regenwürmer, Kaulquappen oder kleine Fisssche.
DAS LEBEN IST DANN ABER BESTIMMT RECHT GEFÄHRLICH FÜR DIE KLEINEN. IHR HABT BESTIMMT VIELE FRESSFEINDE, ODER?
Natürlich issst dasss Leben gefährlich. Wir sssind ssssehr ssscheue Tiere dessshalb sssieht man unsss kaum. Wenn wir können, hauen wir ssschnell ab. Wenn nicht, ssstellen wir unsss gerne tot. Wir drehen unsss dann auf den Rücken, lassssen dasss Maul aufh ängen und bluten ausss unssserer Kloake und geben ein übel ssstinkendes Sssekret darausss ab. Wenn dasss allesss nichtsss nützt, dann können wir ssschon auch mal Ssscheinangriff e durchführen oder sssogar zubeissen. Tut einem Menssschen vielleicht weh, kann bei einigen vielleicht auch eine Allergie hervorrufen, aber issst nicht gift ig oder tödlich und kommt äussserssst ssselten vor. Ansssonsten müsssen wir unsss in Acht vor Laufk äfern, Greifvögeln, Fuchsss, Dachsss und Wiesssel nehmen. Vorallem die kleinen Ssschlänglein sssind dabei sssehr gefährdet. Ausssserdem sssind wir in unssserer Winterruhe, welche wir von ca. November bisss März halten ebenfallsss vielen Gefahren ausssgesssetzt. Eine Freundin von mir wurde während der Winterruhe in ihrem Bau von einer Wanderratte angefresssen und getötet. War nicht ssschön.
DAS WAR SEHR INFORMATIV, LIEBE NELLY. GIBT ES NOCH ETWAS, WAS DU UNSEREN LESERN GERNE MITTEILEN MÖCHTEST?
Freut mich dasss du dasss fragtssst. Ich möchte wirklich gerne, dasss die Menssschen wisssen, dasss sssie sich nicht vor unsss zu fürchten brauchen. Und ich würde sssie gerne bitten, unsssere Habitate zu ssschützen. Wir brauchen sssolche Feuchtgebiete mit Teichen und Waldrändern, damit wir nicht aussssssterben. Dasss Leben issst ssschon gefährlich genug für unsss, darum sssind wir auf eure Hilfe angewiesssen. Bitte lassst auch für unsss Raum. Wir sssind sssehr anpasssungsfähig, aber durch eure Überregulierung der Natur und euren Ordnungsssfimmel gehen viele unssserer bewohnbaren Gebiete verloren. Dasss wäre wirklich ganz toll.
LIEBE NELLY, DAS WERDEN WIR GERNE AN UNSERE LESER SO WEITERGEBEN. ICH WÜNSCHE DIR NOCH VIELE GUTE JAHRE UND VIELLEICHT SEHEN WIR UNS JA MAL WIEDER. LEB WOHL.
Esss war mir auch eine Freude. Ssschön, dasss du sssowasss tussst. Allesss Gute und vielleicht bisss bald.
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NATURZYT Ausgabe März 2024, Text/Fotos/Illustration Virginia Knaus